State of the word – oder auch Tomorrowland*

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 6 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet ...

Matt Mullenweg hat auf den WordCamp US am gestrigen Samstag die jährliche Bestandsaufnahme „State of the word“ gehalten. Dabei wurde vor allem der aktuelle Stand des Gutenberg-Projekt vorgestellt und in der anschließenden Q&A heiß diskutiert.

Gute, neutrale Zusammenfassungen finden sich bei Krautpress (in Deutsch) und Post Status (auf Englisch). Ich möchte mich daher hier auf Gutenberg beschränken. Wie in dem Vortrag erwähnt wurde, hat das Team eine neue Informationsseite ins Netz gestellt. Darin findet sich auch folgende Info:

Custom Post Types […] Are supported by Gutenberg […] Can opt out by not declaring “editor” support.

Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass jeder CPT mit Editor-Support automatisch den neuen Gutenberg-Editor bekommt. Für viele Plugins dürfte das ein völlig falscher Weg sein. Man stelle sich nur die vielen kreativen Anwendungsfälle vor, die mit CPTs umgesetzt wurden: Teams, Timelines, Kurse, und vieles andere mehr – die alle nicht interessiert sein dürften an einem kompletten blockbasierten Page-Builder-System.

Nun gibt es ja das ebenfalls vorgestellte „Classic Editor“-Plugin, aber auch hier gibt es nur „All or nothing“. Entweder Gutenberg wird deaktiviert oder nicht. Eine Beschränkung auf einzelne CPTs scheint es nicht zu geben.

Hier zeigt sich meines Erachtens die Entwicklung recht klar: WordPress ist ein Produkt (die Unterscheidung zwischen .com und .org lasse ich hier absichtlich weg). Risikokapital wurde eingesammelt. Geldgeber möchten irgendwann ihr Geld wiedersehen. Das System braucht eine Exit-Strategie. WordPress als Gesamtkonstrukt zu verkaufen ist eher unwahrscheinlich, allein schon wegen des klugen Trademark-Schachzugs. Also muss das System Geld abwerfen. Für Geld braucht es Kunden, nicht nur Nutzer_innen. Nutzer_innen kann man zwar Werbung zeigen, aber es benötigt mehr. Viel mehr. Also braucht es Wachstum. Ein Blick auf Jetpack zeigt recht klar, was wir in Zukunft vor uns haben. Weniger Open-Source, weniger Demokratie. Mehr Geschäft. „Descision, not options“ ist auch hier Programm. Jetpack versteckt den Free Plan immer mehr. Zeigt Werbung an verschiedenen Stellen. Verzahnt das ganze System engmaschig mit WordPress.com. Einzelplugins werden aufgegeben. Übernommene Mitarbeiter sollen Nebenprojekte einstellen… – die Liste ließe sich noch weiter führen. Halten wir fest: Jetpack wird aggressiv vermarktet. Lock-in-Effekt inklusive. Aber es ist ja auch so praktisch …

Auch Gutenberg zielt meines Erachtens genau dahin. Ein Blick auf WordPress.com & Calpyso zeigt woher das Design kommt. Ein Blick auf Konkurrenten wie Jimdo, Wix, Squarespace, Medium & Co. zeigt wohin die Funktionen zielen bzw. um welche Zielgruppe es geht. Das macht die Diskussion ja so ambivalent. Zum einen gibt Gutenberg dem Anfänger tatsächlich mehr Macht über seine Inhalte, zum anderen erzeugt es die Notwendigkeit zur Nacharbeit für Unmengen an Entwickler_innen. Schaut man jedoch auf WordPress.com und seine Konkurrenten, so macht das System nur noch Sinn. Die meisten Anwendungsformen der CPTs existieren auf WordPress.com nicht und somit kann Gutenberg seine Stärken voll ausspielen, ohne die Nachteile zu spüren. Warum es so wichtig ist, dass dieser Editor auch im Core on WordPress ist, hat höchstwahrscheinlich technische Gründe. Aus Altruismus und für eine bessere Welt wird das Mullenweg sicher nicht tun wollen.

Obwohl es Unmengen an guten Argumenten gegen die rasche Einbindung gibt. Und obwohl obwohl gegen alle möglichen selbst aufgestellten Regeln zur Einführung von neuen Funktionen verstoßen wird, ist an Gutenberg nicht mehr zu rütteln. Das (Macht-)Wort des Benevolent Dictator for Life wird auch im nächsten Jahr über die Geschicke bestimmen. Bleibt also nur sich damit abzufinden und sich möglichst schnell anzupassen. Manchen wird es gelingen, andere werden aufgeben (müssen). Den ersten hat es schon getroffen. Andere werden folgen.

Und auch wenn ich ein Ausmisten des Plugins für gar nicht schlecht erachte, so wäre mir dafür ein anderer Ansatz lieber gewesen. Auch eine offenere Kommunikation durch das Team wäre schöner gewesen. Es hat Ewigkeiten gebraucht, um halbwegs Klarheit darüber zu bekommen, was mit den Metaboxen passiert. Allein dieser Teil wäre einen zweiten Beitrag wert. Die (fehlende) Anpassung daran wird weitere Plugins sterben lassen.

Bleibt für mich am Ende die Frage ob ich nach dem für WordPress 5.0 anvisierten April 2018 wirklich noch Support im Forum geben möchte. Wenn unzählige Nutzer_innen, die leichtfertig auf Aktualisieren geklickt haben, eine komplett neue Editor-Seite sehen. Und selbst wenn nichts kaputt geht (was im nicht glaube), so muss sich jeder dieser Menschen umgewöhnen. Und das tun wir Gewohnheitstiere ausgesprochen ungerne. Der Unmut wird sich dort entladen, wo man ihn am einfachsten abladen kann. Im Supportforum. Ich habe das 10 Jahre lang im WordPress.com-Supportforum erlebt. Mit der Einführung vom Calypso-Backend als Höhepunkt. Eine unfertige Version, die niemand mochte. Sie reifte beim Kunden zu einem guten Produkt. Aber die Wochen des Übergangs waren die Supporthölle. Jeder hasste es sich umgewöhnen zu müssen, fand nichts wieder und lud seine Wut bei uns ab. Dank oder Entschuldigung haben wir dafür nie bekommen. Ein zweites Mal werde ich das nicht machen.

Sollte dieser Fall eintreten, dann werde ich auch meine letzte Community-Tätigkeit für WordPress einstellen.

Vielleicht bin ich ja auch zu pessimistisch und alle feiern den Tod des Editors und begrüßen die Revolution mit offenen Armen. Allein mir fehlt der Glaube.

*Der Titel Tomorrowland (in Deutschland „A World Beyond„) stammt von einem Disneyfilm mit George Clooney, in dem sich eine großartige Utopiewelt später als nicht ganz so perfekt herausstellt.

14 Antworten auf State of the word – oder auch Tomorrowland*

  1. Eigentlich sehe ich das ganze Thema Gutenberg entspannter. M.E. ist da ein sehr kleines, aber feines Team am Werk, und die entwickeln einfach Schritt für Schritt vorwärts.

    Die allgemeine Hysterie Diskussion um Gutenberg erinnert mich manchmal an das Projekt mit der geschlechter-gerechten Sprachdatei für DE (ich vermeide extra mal den Namen, um keine Trolle anzuziehen). Damals wurde uns von der Mehrheit aller Kommentierenden null Karenzzeit eingeräumt als die Nachricht erstmal raus war. Dass das Endergebnis ein Ergebnis noch laufender Entwicklung sein würde, und dass wir eben noch nicht alle Antworten parat hatten, wurde uns als Unverantwortlichkeit, Unprofessionalität, Ignoranz, oder Überheblichkeit ausgelegt. Da sehe ich zum Gutenberg-Team und den Vorwürfen, mit denen sie regelmäßig konfrontiert sind, teilweise Parallelen.

    Im drittletzten Absatz wird mir dann aber dein Blinkwinkel klar, und da muss ich dir dann sehr recht geben: Das Supportforum ist sicherlich nicht der Ort, an dem ich einen Wechsel vom alten zum neuen Editor erleben möchte. Und selbst als kommerzieller Vollzeit-Supporter kann gut nachvollziehen, wie frustrierend es sein kann, wenn es Kritik, Beschimpfungen und Panik hagelt wegen einer Entscheidung, die man nicht zu verantworten hat. Da würde ich mich als Freiwilliger sicher auch mal eine Weile zurückziehen – oder mit Textbausteinen antworten.

    • Ich sehe das Thema Gutenberg ebenfalls entspannt. Das ganze hat auch einen Status erreicht wo es auch kein zurück mehr gibt und wenn ich die Zeichen richtig deute, ist das Ding schon längst entschieden.

      Mich stört das aus einer reihe an Gründen nicht. In Köln sagt man zu so etwas „Et kütt, wie et kütt“. Entweder wird Gutenberg ein Erfolg und wir werden es alle feiern oder es wird Gegenteil davon und dann wird es Zeit sich eventuell nach einer anderen Plattform umzuschauen.

      Zum anderen habe ich als alter Zyniker 🙂 nie so ganz dieses Ding „wir sind eine geile Community, wir haben uns alle lieb und es ist alles so toll“ wirklich abgenommen.

      Sicherlich in den Jahren 2004-2008 (von mir aus auch noch 2009) gab es schon in Teilen bei gewissen Personen so etwas was man Community nennen konnte, wo es richtig Spaß machte sich mit diesen Leuten zu treffen und auszutauschen. Aber sehr schnell konnte man erkennen, dass mit WP irgendwann das große Geld verdient werden möchte. Was imho total legitim ist.

      Und aus einem weiteren Grund lassen micht solche Entwicklungen recht unbeeindruckt:

      als ich 1989 nach Deutschland kam wurde ich bestens „aufgeklärt“. Immer wenn ich damals etwas am wirtschaftlichen System anzumerken hatte, hat man mir (u.a. vom SoWi-Leherer) folgendes um die Ohren „geschleudert“: „Junge, du lebst jetzt im Kapitalismus, finde dich damit ab.“

      Auch hinter Open-Source-Projekten stecken handfeste wirtschaftliche Interessen und diese möchten, so wie Torsten es schon festgestellt hat, früher oder später bedient werden.

      Und das es für die Leute, die in Supportforen tätig sind dann ungemütlich und frustrierend wird, dass kann ich mir gut vorstellen und die beneide ich wirklich nicht.

  2. Danke Thorsten,
    Ich hoffe von Herzen, das die Community eine gute Lösung finden wird, denn sie ist die große Stärke von WordPress.
    Gut kann ich deine Bedenken zum Supportforum verstehen und hoffe bis zu letzt darauf, dass es doch noch eine praktikable und einfache Lösung gibt „altes“ zu unterstützen.

  3. Hi Torsten, vielen Dank für diesen Artikel. Es ist sehr erfrischend derartige Gedanken, die meiner Meinung nach absolut nachvollziehbar und realistisch sind, zur Abwechslung auch an anderer Stelle zu lesen. Ich habe mich diesbezüglich auch schon geäußert, aber leider steht man damit dann doch schnell alleine da, zumindest öffentlich. Privat kommt dann aber interessanterweise jede Menge Zuspruch und Zustimmung, vor allem von Seiten von denen man es nicht erwartet hätte.

    Ich finde es erschreckend naiv wie in der Community oftmals der Gutenberg-Anstatz schon fast kult-ähnlich abgekauft wird, ohne das große Ganze zu betrachten. Man muss nicht einmal genau hinsehen um zu erkennen aus welcher Ecke da der Wind weht und dass Investoren irgendwann Rendite erwarten, sollte jedem klar sein. Hoffentlich.

    WordPress fit für die Zukunft zu machen ist absolut richtig, ob allerdings jede Entscheidung hinter Gutenberg wirklich darauf abzielt ist eine andere Frage. An manchen Entscheidungen die Gutenberg betreffen ist leider nur ein Motiv erkennbar und das hat meines Erachtens nichts mit WordPress, dem Open Source Projekt zu tun, sondern damit die Marktanteile und vor allem den Einfluss einer ganz bestimmten Firma zu vergrößern. Was alles dabei auf der Strecke bleibt scheint leider keine Rolle mehr zu spielen.

    • WordPress hat bereits einen Marktanteil von 29% und es ist nicht verwerflich, diesen Marktanteil halten oder sogar ausbauen zu wollen, auch wenn damit wirtschaftlicher Erfolg verbunden ist. WordPress hat aber einen strukturellen Fehler, der (insbesondere im Vergleich mit anderen Plattformen zur Veröffentlichung von Inhalten) immer stärker diskutiert wird: Bisher dreht sich alles um den Post als kleinste Informationseinheit und die gestalterischen Möglichkeiten bei der Erstellung von Beiträgen sind in etwa so flexibel wie Tippen auf der Schreibmaschine. What you see ist bei WordPress wirklich nicht What you get, wie Morton Rand-Hendriksen auf dem WordCamp gerade sehr anschaulich demonstriert hat.

      Die vielen Diskussionen, die in der Community über Sinn und Unsinn von Page Buildern geführt wurden, haben gezeigt, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Ich glaube nicht, dass die Community den „Gutenberg-Ansatz kult-ähnlich abkauft“, sondern dass sich viele nach einer Lösung sehnen, die möglichst wenig wehtut. WooCommerce ist zu einem wesentlichen Bestandteil des WordPress-Ökosystems geworden. Matt Mullwenweg täte sich keinen Gefallen, WooCommerce durch einen Editor unbrauchbar zu machen, der die Eingabefelder für die Produkerfassung eines E-Shops nicht darstellen kann.

      Zugegeben, die Vorgabe dass Gutenberg im April 2018 erscheinen soll, ist ambitioniert. Die Ankündigung hat mich aber ein bisschen an Kennedys Ankündigung des Flugs zum Mond erinnert, die bei den Verantwortlichen viel Druck erzeugt, aber eben auch den Flug zum Mond nur sechs Jahr später ermöglicht hat.

      We choose to go to the Moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard; because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are willing to accept, one we are unwilling to postpone, and one we intend to win.

      • Hi Bego, mit dem „kult-ähnlichen abkaufen“ war gemeint, dass meiner Meinung nach die Motive hinter manchen Entscheidungen zu wenig hinterfragt werden, zumindest öffentlich. Solche Beiträge wie dieser hier sind leider selten. Dass Gutenberg eine Verbesserung darstellt steht außer Frage und es geht sicherlich in die richtige Richtung, auch wenn diverse bisher noch ungelöste Probleme damit verbunden sind.

        Wenn es allerdings eine Tendenz gibt, wo klar ersichtlich wird, dass eine Firma immer mehr den Markt aufmischt und das aufgrund der Tatsache der historischen Verflechtung sowie einer Marketingstrategie die mehr Verwirrung als Nutzen für viele Nutzer stiftet (es fängt ja schon bei der Domain an und zieht sich wie ein roter Faden durch), dann darf man das durchaus kritisch sehen.

        Ich bin mir nicht sicher ob manche Entscheidungen so getroffen worden wären, wenn man diese tatsächlich diskuttiert, statt diktiert hätte. Auch der ambitionierte Zeitplan könnte zum Nachdenken anregen. Ist WordPress mit über 29% Marktanteil tatsächlich in einer derartigen Misere, dass alles komplett innerhalb weniger Monate umgestellt werden muss? Oder könnte diese Eile vielleicht damit zusammenhängen, dass die Produktpipeline einer bestimmten Firma auf eine schnelle Umsetzung angewiesen ist und Verzögerungen nur unnötig Geld kosten?

        Und dass Menschen, die kein produktbasiertes Business betreiben, dieses ganze Gutenberg Thema entspannter sehen als manche Plugin- oder Themeentwickler deren Business direkt betroffen ist, wundert mich nicht. Ich bin auf jeden Fall gespannt was noch kommmen wird. Nach wie vor ist Gutenberg noch nicht bei der breiten Masse angekommen und man trifft auch noch immer auf Entwickler die noch nichts davon gehört haben. Ich gehe davon aus, dass es noch reichlich Diskussionsbedarf geben wird und das ist meiner Meinung nach auch gut so.

  4. Hi Torsten, schöner Artikel, der viele wichtige Punkte aufgreift. Ich bin eher optimistisch zum Thema Gutenberg eingestellt und inzwischen recht zuversichtlich, dass der neue Editor nicht den Untergang von WordPress einleiten wird 😉 Die Grundidee ist sinnvoll und das Gutenberg Plugin sieht langsam sehr vielversprechend aus.

    Trotzdem kann ich deiner Kritik in vielen Teilen zustimmen. Die Kommunikation des Projekts (React, Metaboxen) war wirklich nicht gut und WordPress.com ist mit Sicherheit ein Hauptprofiteur von Gutenberg, was auch bei manchen Features ersichtlich wird. Farb- und Schriftoptionen gehören nicht in den Core. Auch Metaboxen und Custom Fields wurden lange vernachlässigt, was meiner Meinung nach den Eindruck verstärkt hat, dass es vor allem um die Interessen von WP.com geht.

    Ich halte vor allem den Zeitplan für ein Problem. Die Entwicklung von Gutenberg schreitet zügig voran und man scheint es sehr eilig zu haben, den Editor möglichst schnell in den Core zu bringen. Viele Theme und Plugin Entwickler sind kleine Teams und haben wahrscheilich nicht die Ressourcen, alle Produkte so schnell für Gutenberg anzupassen.

    Das mit dem Support Forum verstehe ich. Wahrscheinlich steigt mein Supportaufwand mit WordPress 5.0 auch an. Aber es ist für mich kein Argument gegen Gutenberg. Wir sind alle Gewohnheitstiere, aber wenn deshalb jede Veränderung abgelehnt wird, ist WordPress irgendwann veraltet und überholt. Kritisieren lässt sich aber die komplette Umstellung des Editors, anstelle einer schrittweisen Einführung in mehreren Updates (z.B. erst Editor, danach Metaboxen).

  5. Schade, dass wir diese Konversation nicht auf dem WordCamp in Köln hatten.

    „DIe einzige Konstante ist die Veränderung“—Das macht auch vor WordPress nicht halt. Die Onlinewelt ist heute (offensichtlich) eine ganz andere als sie es vor zwölf Jahren war, als der jetzige WYSIWYG Editor eingeführt wurde. Und wenn WordPress weiterhin relevant bleiben soll dann ist es einfach unumgänglich sich auch auf die Erwartungen einer Generation Z einzustellen.

    In einer Zeit in der mehr und mehr Nutzer geschlossene Plattformen vorziehen finde ich es um so wichtiger, dass Open-Source Projekte wie WordPress weiterhin wettbewerbsfähig bleiben um zu helfen sich gegen diesen Trend zu stemmen, und ein Advokat für das Offene Web zu sein. Das lässt sich allerdings nicht ohne Wachstum und Modernisierung erreichen, was dann natürlich auch heisst als Projekt in der Lage sein zu müssen es mit den Werbe-Euros der Squarespaces und Wix-es aufnehmen zu können.

    Automattic vorzuwerfen Gutenberg alleinig als Mittel zur Profitsteigerung zu pushen ist scheinheilig. Ich glaube jeder Teilnehmer in diesem Thread hat ein gewisses finanzielles Interesse in WordPress—inklusive Michael und dir—und damit auch ein Interesse darin, dass WordPress noch eine Weile relevant bleibt. Automattic ist aktuell die einzige Firma von der ich weiss die Willens und in der Lage ist 15 Vollzeit-Designer und -Entwickler abzustellen um zwei Jahre an Gutenberg zu arbeiten. BItte lasst es mich wissen wenn ich hier was übersehen habe.

    Deine Sorge bezüglich des Supportaufwands mit 5.0 teile ich. Während State of the Word hat Matt das auch angesprochen wenn ich mich Recht entsinne. Ich im Moment noch weiss nicht wie eine gute Lösung aussehen könnte hier (eine All-Hands-On-Deck-Situation bei A8C Happiness Engineers vielleicht?), aber das wird etwas sein worauf wir vorbereitet sein müssen.

    • Hi Konstantin, vielen Dank für das Feedback. Ich gebe dir völlig Recht, jede Firma die ein WP Business betreibt profitiert in der Regel finanziell von WordPress und es ist meiner Ansicht nach auch legitim dieses Interesse zu wahren, ansonsten kann man es gleich lassen. Daher hat natürlich in der Regel auch jedes WP Business Interesse daran WordPress (das Open Source Projekt) weiter wachsen zu sehen.

      Ich glaube was sehr viel zum Unmut in der Community beiträgt ist die Art und Weise wie Gutenberg eingeführt wurde. Bis vor kurzem waren beispielsweise nur vage Informationen verfügbar und die Geschwindigkeit mit der A8C Gutenberg einführt lässt sich manchmal schwer nachvollziehen. Vor allem wenn man die Auswirkungen bedenkt. Es ist natürlich praktisch wenn der CEO von A8C gleichzeitig Core Lead ist und die wichtigen Entscheidungen einfach treffen kann.

      Ich glaube Torsten hat schon nicht Unrecht, dass der Eindruck entstehen könnte, dass Gutenberg schon länger in der Schublade lag und man kann nicht wirklich abstreiten, dass das alles stark an Calypso erinnert. Elemente die extrem wichtig für WordPress Core sind wurden Anfangs komplett ignoriert und mussten über langwierige Diskussionen erkämpft werden (z.B. Meta Boxen).

      Wieso muss das Ding gleich in den Core? Wäre es nicht eine Option Gutenberg erstmal als Plugin laufen zu lassen, vor mir aus auch vorinstalliert wie Hello Dolly oder Akismet, und dann langsam Erfahrungen und Feedback von einer breiten Masse an Nutzern zu sammeln? Statt diesen Weg zu gehen, der auch Entwicklern genug Zeit geben würde sich anzupassen und zu experimentieren, wird gleich alles auf eine Karte gesetzt.

      Letztendlich darf man nicht vergessen was WordPress für einen Impact hat. Wir sprechen von knapp einem Drittel des Internets. Ich glaube da sollte man mit Experimenten etwas sorgsamer umgehen. Von Millionen Nutzern zu verlangen ein Plugin zu installieren weil Gutenberg nicht mit der Seite kompatibel ist, ist vermutlich nicht die sanfteste Methode einen derartigen Wandel durchzuführen. Aber diese Entscheidung scheint getroffen zu sein.

      Ja, Gutenberg bietet viele neue Möglichkeiten und die sind auf jeden Fall sehr spannend. Ich freue mich auch darauf damit zu experimentieren und Neues auszuprobieren. Ich glaube allerdings, dass eine offenere Kommunikation und etwas mehr Fingerspitzengefühl bezüglich der Auswirkungen von Gutenberg dem Projekt sehr gut getan hätten. Wenn man offen mit der Community und den Nutzern kommuniziert, dann lässt das auch wenig Raum für Interpretationen und schafft nachhaltig vertrauen.

    • Danke für deinen Kommentar, Konstantin!

      Ich habe es in Köln leider nicht geschafft in die Gutenberg-Sessions zu gehen, so dass ich die Gelegenheit verpasst habe diese Fragen direkt anzusprechen. Manches ist mir aber auch erst später aufgefallen, so dass wir es in Köln noch gar nicht hätten besprechen können.

      Was in vielen Kommentaren – auch deinem – falsch interpretiert wird, ist meine angebliche Ablehnung gegenüber Gutenberg. Dem ist nicht so. Ich schätze die großartige Arbeit und habe interessante Ideen, was man mit den neuen Möglichkeiten anstellen kann. Notwendige Modernisierung, Anpassung an Konkurrenz, alles richtig und wichtig. Aber nicht mein Hauptpunkt. Meine Kritik zusammengefasst in Form einer Anekdote:

      Bei den Abschlussarbeiten der Kommunikationsdesignklasse meiner Frau hat eine Kommilitonin das Thema Supermarkt gewählt. Kein normaler Supermarkt. Ein Supermarkt, der nur Gen-Food anbietet. Sie erstellte dafür alle möglichen Designs. Allesamt stilvoll und handwerklich gut gemacht – trotzdem hat sie eine schlechte Note bekommen. Warum? Weil die den Kommunikationsteil ihres Berufes vergessen hat. Menschen würden bei so einem Supermarkt als erstes an die Gefahren denken. Allererste Kommunikationspflicht wäre somit das Ausräumen dieser Ängste gewesen.

      Zurück zu Gutenberg: Die drängendsten Rückfragen der Community waren von Anfang an: Bedeutet das die Abkehr von Rückwärtskompatibilität? Was passiert mit den Metaboxen? Wie kann ich verhindern, dass etwas passiert, was ich nicht möchte? Etc. – Darauf nicht oder nicht schnell/klar genug eingegangen zu sein ist das Problem in meinen Augen. Nicht Gutenberg selbst. Nicht mal die Veränderung selbst. Aber der Weg dahin.

      Natürlich ist (fast) jeder hier interessiert an einem finanziellem Benefit durch WordPress. Aber wir haben alle nicht die Möglichkeit direkten Einfluss zu nehmen. Ich habe es diverse Male versucht. Und bin häufig an geschlossenen Türen gescheitert. Automattic dagegen sitzt an vielen Hebeln und kann seinen Einfluss so nutzen, dass das Ergebnis der Firma nützt. Das ist völlig wertfrei festgestellt, also eine wenn man so will soziologische Analyse der Machtsituation bei WordPress. Die Ansage im SOTW von Matt war paraphrasiert: „Suche dir eine Nische, wenn du überleben willst. Den Massenmarkt übernehmen wir.“ oder positiv formuliert: „Wir bieten Page Builder für alle, standardisiert und somit ein solides Fundament für die Zukunft.“ – Welche Seite bei wem überwiegt ist jedem selbst überlassen. Ich habe mir nur erlaubt diese andere Seite mal in das Licht zu zerren.

      Fakt ist doch, dass Gutenberg Zusatzarbeit für Plugin- und Theme-Entwickler bedeutet und zudem ein anderes Skillset erfordert. Da ist eine solche Deadline eine krasse Ansage. Das Produkt ist nicht fertig und wir müssten eigentlich jetzt anfangen die Dinge umzubauen, können uns aber auf noch gar nichts verlassen. In welchem Universum kann diese Kombination gut gehen?

      Nach 10 Jahren Support im WP.com-Forum habe ich sehr häufig erlebt wie neue Feature gelauncht wurden und es war selten gut kommuniziert. Auf Supporter wurde da eigentlich nie Rücksicht genommen …

  6. Die größten Erfolgsgaranten für WordPress waren in der Vergangenheit meiner Meinung nach die Abwärtskompatibilität und die Einfachheit der Bedienung. Mit beidem wird leichfertig jongliert (so scheint es zumindest), erst recht bei einem anvisierten Hau-Ruck-Release im April 2018.

    Wenn es wirklich um Marktanteile geht, geht es dann um den prozentualen Anteil der Installationen oder um den finanziellen? Die Basis bilden Menschen, die WordPress einfach nur anwenden. Von 29% Marktanteil (Installationen) entfallen davon IMHO *gefühlte mindestens* 28 auf nicht wirklich CMS-affine Menschen, die restlichen 1% arbeiten tatsächlich damit.

    Stichwort „Einfache Bedienung“. Laut Matt Mullenweg soll mit Gutenberg die UX erhöht und vereinfacht werden. Ich denke ja, Matt weiß wirklich nicht, wie die Menschen an der Basis ticken. Wir Webdesigner erleben das hingegen nahezu täglich. Die Leute wollen eine Website, mit der sie schnell und einfach selbst Inhalte einpflegen können. Der TinyMCE ist ihnen dabei eine große Hilfe, da die Elemente denen von Word oder anderen WYSIWYG-Schreibprogrammen ähneln.

    Stichwort „Abwärtskompatibilität“. Ich hatte noch nicht Zeit, mich mit den Sessions der WCUS zu beschäftigen. Habe aber das Video von @soean vom WC Cologne gesehen. Seine Aussage war, vorherige Websites werden auch mit Gutenberg funktionieren, seine Einschätzung was außerdem ein Releasetermin später in 2018. Nun lese ich hier „in vielen/einigen Fällen nur mit Plugin lauffähig“ und „Release April 2018“.

    Diese Verunsicherungen sind für alle, die mit WordPress tatsächlich arbeiten, eine Zumutung. Wie soll ich WordPress noch uneingeschränkt empfehlen können? Ich erstelle im Januar eine Website, die im April crasht? Oder wie peinlich ist das denn? Ich schicke eine Rundmail raus: „Verehrte Kunden und Kundinnen, damit Ihre Website weiterhin funktionieren kann, müssen Sie diese Plugin installieren.“?

    Mit dem Bruch der Abwärtskompatibilität verspielt WordPress das Vertrauen, das über Jahre gewachsen ist und „einfacher“ wird das alles höchstens für diejenigen, die Themes, Websites, etc. erstellen, nicht aber für den Großteil derer, die WordPress schlicht nur nutzen. Ich habe das bei einem anderen CMS gesehen, das meinte, alle 2 Jahre eine neue Major-Version hervorbringen zu können, ohne Rücksicht auf eine reibungslose Migration. Die sind mittlerweile wieder zu 5 bis 6-Jahres-Zyklen zurückgekehrt, nachdem viele sich empört und frustiert anderen CMS zugewandt haben.

    Natürlich bedeutet Fortschritt auch Veränderung und natürlich ist das unumstritten notwendig, kann aber nur funktionieren, wenn die Menschen Schritt damit halten können (= sanfte Migration). Außerdem: eine Vorgehensweise, die anderen das Wasser abgräbt (Pagebuilder), verhindert Marktwirtschaft. Ein Wirtssystem, das alle Tore schließt, wird zum Monopol und diktiert die Regeln – wo bleibt da noch OpenSource? Konkurrenz belebt Innovation, schafft Zukunftsvisionen und Ideen und diese Konkurrenz wird quasi in Hinblick auf Block-System/Pagebuilder abgeschafft.

    Und mit dem Support hat Torsten absolut recht. Auch den Webdesignern dürften die Ohren klingeln und sie müssen unzählige Überstunden für lau leisten, um die Kundschaft zu informieren, etc.

  7. „vorherige Websites werden auch mit Gutenberg funktionieren“. Nicht triviale Sites? Eher nein. Je früher desto weniger. Es gibt – korrigiert mich – keine veröffentlichten Kompatibilitätskriterien: Was darf ein Plugin/Theme nicht tun? Was muß es statt dessen tun? Wie könnte eine Neuimplementierung funktionieren? Kein Migrationsguide, keine exakte Abkündigung von Funktionalitäten, kein Gutenberg-SDK, kaum Beispiele, keine (brauchbare) Dokumentation des API, überhaupt kein brauchbares API usw usw. Und da geht es nicht nur um Metaboxen, sondern um alles, was irgendwie mit der alten Editorseite interagiert (die Veröffentlichungsbox erweitert, DOM-Elemente ausliest/überwacht, was noch – man weiß es nicht).

    Gutenberg bei existierenden Seite einfach so einzuschalten ist m.E. ein absolutes No-Go.

    „verspielt WordPress das Vertrauen“: Als aus der Konzern-IT kommender Mensch weiß ich um die dortige Bedeutung von Invesitionsschutz (auch Trainingsaufwendungen). Mit dieser Vorgehensweise ist WordPress im Enterprise-Markt tot. Mausetot. Jedenfalls ohne eine LTS-Version. Und long time heißt 4-5 Jahre.

    „die anderen das Wasser abgräbt (Pagebuilder)“ Das allerdings glaube ich nicht, jedenfalls wenn die Hersteller fix sind und die notwendigen Resourcen/Gelder haben.

    Gutenberg: „protects the design and guides the user.“
    Elementor: „delivers high-end page designs and advanced capabilities“

    Wenn ich mich als Pagebuilder-Bauer mit der existierenden User-Base und Marketing-Expertise im High-End-Bereich positioniere – dann gern auch höherpreisig – kann ich mir mit einer Gutenberg-Portierung all meiner schicken Elemente (und einer Erweiterung der gb-eigenen Blocks um erweiterte Design-Eigenschaften) zusätzlich – niedrigpreisig – auch noch einen Massenmarkt erschließen.

    PS.
    Github-Issue von gestern (YOAST):
    https://github.com/WordPress/gutenberg/issues/3805 Client side data APIs for Gutenberg

    Zitat: „So with Gutenberg, we are forced to start solving this problem. I think this is a great time to start thinking about client-side data APIs for WordPress.“

    Start thinking. April 2018.

  8. Pingback: Linktipps #1 - WP Blocks

  9. Pingback: Mehrere WP-Seiten besser verwalten & Gutenberg-Integration rückt näher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert